Der Chef der Mindestlohnkommission Jan Zilius hat sich erfreulich klar gegen die von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zuletzt erneut ins Spiel gebrachte schnelle Anhebung der Mindestlohnuntergrenze positioniert: „Von heute auf morgen den Mindestlohn auf zwölf Euro anzuheben, wäre höchst problematisch", erklärte Zilius der Rheinischen Post. Einen Mindestlohn, der in großem Umfang über geltende Tarifverträge hinausginge, also höher läge als die untersten Tarifgruppen, sieht er äußerst skeptisch, weil man dann eine Überholung von laufenden Tarifverträgen in einem Umfang hätte, „der mit unserer im Grundgesetz vereinbarten Tarifautonomie nicht mehr viel zu tun hätte“. Mit einer zu schnellen Erhöhung auf zwölf Euro würde man die Tarifverhandlungen für untere Lohngruppen obsolet machen, so Zilius.
Zuvor hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil angekündigt, dass er mit neuen Vorgaben für die Mindestlohnkommission eine Erhöhung der Lohnuntergrenze auf perspektivisch 12 Euro durchsetzen will. "Ich werde Vorschläge machen, wie wir schneller die Marke von zwölf Euro pro Stunde als Lohnuntergrenze erreichen können", erklärte Heil. Derzeit verdiene rund jeder vierte Beschäftigte in Deutschland weniger als zwölf Euro pro Stunde.
Die Mindestlohnkommission hatte Ende Juni als Kompromiss und in Teilen auch in Reaktion auf die Coronakrise eine Anhebung in vier Stufen bis Mitte 2022 empfohlen - von jetzt 9,35 Euro auf 10,45 Euro pro Stunde. Die Empfehlungen der Kommission werden von der Regierung in der Regel umgesetzt. Und auch dieses Mal soll es zunächst nicht anders sein, aber Heil stellt auch klar, dass ihm das auf Dauer nicht ausreicht. Er habe „nach dem Gesetz die Aufgabe, fünf Jahren nach Einführung des Mindestlohns den gesamten Mechanismus zu untersuchen. Ich kann mir vorstellen, dass wir der Kommission ein weiteres Kriterium mitgeben und sie sich stärker an der Entwicklung mittlerer Einkommen - des Medians - orientiert." Es gehe ihm um Leistungsgerechtigkeit. Es sei aber auch ökonomisch sinnvoll, weil das die Kaufkraft der Menschen stärkt.
Der DEHOGA kritisiert den Vorstoß Heils ebenfalls. „Die Arbeit der Mindestlohnkommission anhand der bisherigen Kriterien hat sich bewährt und stellt einen sinnvollen Kompromiss zwischen den verschiedenen Interessen dar. Deshalb begrüßen wir auch die deutlichen Worte des Vorsitzenden der Kommission gegen den Vorschlag“, so DEHOGA-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges. „Die Coronakrise bringt ohnehin viele Betriebe an ihre Belastungsgrenze und gefährdet nach wie vor zahllose Arbeitsplätze und Existenzen. Wie lange diese Krise anhält, kann derzeit noch niemand seriös einschätzen. In dieser Situation über Mechanismen nachzudenken, die zu einer massiven Anhebung der Mindestlohnuntergrenze und damit zusätzlichen finanziellen Belastungen für die Arbeitgeber führen würden, ist daher absolut kontraproduktiv.“ Aber auch mittelfristig dürfe es nicht sein, dass die Mindestlohnentwicklung von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt und politischer Willkür unterworfen werde, so Hartges.
Eine Meldung des DEHOGA Bundesverband