Gastgewerbe NRW: Existenzbedrohung wächst auch 2021

Corona, NRW, Pressemitteilungen

Immer mehr Unternehmer*innen im nordrhein-westfälischen Gastgewerbe (77%) sehen ihre Existenz aufgrund der Corona-Pandemie bedroht. Fast ein Viertel erwägt konkret eine Betriebsaufgabe. Befeuert werden Sorge und Ängste durch die immer noch schleppenden Auszahlungen der angekündigten Hilfen. Der DEHOGA Nordrhein-Westfalen erneuert seine Forderung, schneller auszuzahlen, notwendige Korrekturen an den Hilfsprogrammen vorzunehmen, deren Komplexität zu reduzieren und Rahmenbedingungen zu schaffen für die Zeit nach dem Lockdown.

Am 28. Oktober 2020 kündigte die Bundesregierung Novemberhilfen als Entschädigungen für Branchen an, die aufgrund der staatlich verordneten Schließungen ein Sonderopfer für die Gesellschaft erbringen würden. Im Mittelpunkt der betroffenen Branchen – das Gastgewerbe. Heute, rund zehn Wochen später, lassen die Auszahlungen der Novemberhilfen aber weiterhin häufig auf sich warten. Gerade einmal 71,8 Prozent der gastgewerbliche Unternehmer in NRW (bundesweit: 68,1%) haben Abschlagszahlungen für die Novemberhilfen erhalten (Stand: bis 10.1.2021). Das ist das Ergebnis einer bundesweiten Umfrage zu Anfang des Jahres, an der sich auch 1.394 Unternehmer*innen aus Nordrhein-Westfalen beteiligten. „Das Vertrauen in die Politik und die Umsetzung politischer Entscheidung schwindet“, weiß Bernd Niemeier, Präsident des DEHOGA Nordrhein-Westfalen. „Noch schlimmer ist, dass die Zuversicht, nur mit einem blauen Auge aus der Pandemie zu kommen, ebenfalls schwindet.“ Mittlerweile sehen sich mehr als drei Viertel der Befragten (77%) in ihrer Existenz bedroht, fast ein Viertel (24,5%) überlegt sogar konkret, den Betrieb zu schließen.

Aus dieser Gemengelage heraus erneuert der DEHOGA Nordrhein-Westfalen seine Forderungen und Erwartungen:

  • Zuverlässige Auszahlungen sind jetzt erforderlich. Hilfeleistungen auf dem Papier sind das eine. Auf dem Konto das andere. Deshalb fordert der DEHOGA dringender denn je, dass die Prozesse von der Antragsstellung bis zur Ausstellung deutlich entbürokratisiert und beschleunigt werden müssen.
  • Die EU-Beihilfegrenzen für Kleinbeihilfen und Fixkostenregelungen müssen dringend heraufgesetzt werden. Nur so kann die kaum zu überbietende Komplexität der Programme reduziert werden. Der Behilferahmen für die Fixkostenhilfe beträgt derzeit 3 Millionen Euro. Wenn die Überbrückungshilfe III und die November- und Dezemberhilfe plus gelingen sollen, ist es zwingend notwendig, dass dieser Rahmen schnellstmöglich signifikant heraufgesetzt wird.
  • Novemberhilfe extra: Ein positiver Ausgang des Antragsverfahrens auf EU-Ebene zu Artikel 107 Abs. 2 b AEUV, von dem die Genehmigung dieser Hilfe abhängig ist, ist von höchster Bedeutung und existenzieller Relevanz für die großen Arbeitgeber des Gastgewerbes. Diese haben bislang keine direkten Finanzhilfen erhalten und sind jetzt dringend darauf angewiesen.
  • KfW-Kredite mit einer Laufzeit von mehr als 6 Jahren Laufzeit dürfen nicht zum vollen Nennbetrag auf die Hilfen angerechnet werden! Wir fordern erneut dringend eine Änderung der beihilferechtlichen EU-Vorgaben. Es ist niemandem zu vermitteln, dass Kredite beihilferechtlich wie direkte nicht rückzahlbare Finanzhilfen behandelt werden. Konkrete Vorschläge, wie sich das Dilemma lösen ließe, haben wir den Ministern nun zum wiederholten Male unterbreitet.
  • Novemberhilfe plus: Wir brauchen endlich Klarheit über die Details der Hilfen für größere Unternehmen. Die Veröffentlichung der entsprechenden Kriterien und die Antragstellung müssen schnellstmöglich erfolgen.
  • Mischbetriebe: Viele sogenannte Mischbetriebe fallen aufgrund des 80:20-Erfordernisses durchs Raster, haben keinen Anspruch auf Hilfe, obwohl sie in erheblichem Umfang von den Lockdown-Maßnahmen direkt betroffen sind. Wenn ein gastronomischer Betrieb (Anteil 60 Prozent), der noch eine kleine Hausbrauerei (Anteil Handel 40 Prozent) betreibt, keinen Anspruch auf Novemberhilfe für seinen geschlossenen gastronomischen Betrieb erhält, ist das ein völlig unbefriedigendes Ergebnis. Lösungen, wie sie beispielswiese für Bäckereien und Konditoreien mit angeschlossenem Café-Betrieb zur Anwendung kommen, müssen auch für diese Mischbetriebe gefunden werden. Für besagte Bäckereien und Konditoreien mit angeschlossenem Café-Betrieb gilt die Regelung wie bei den Restaurants, die nur die 19 Prozent-Umsätze des Vorjahres erstattet bekommen. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit und natürlich des politischen Wollens, diese Benachteiligung der Mischbetriebe zu beseitigen.
  • Regelungen zu den verbundenen Unternehmen bei den November- und Dezemberhilfen: Auch zahlreiche verbundene Unternehmen fallen aufgrund der 80:20-Regelung trotz massiver Betroffenheit durchs Raster. Wir brauchen dringend eine Nachjustierung, die grundsätzlich auf den betroffenen Betrieb im Sinne von Arbeitsstätte und ihre Betroffenheit abstellt. 
  • Überbrückungshilfe III: Auch wenn noch nicht alle Details zur Überbrückungshilfe III bekannt sind, haben wir erhebliche Zweifel, ob diese für alle Unternehmen bei fortbestehenden Schließungen das Überleben sichert. Denn es wird nicht sichergestellt, dass die Unternehmen eine vollständige Erstattung ihrer Fixkosten erhalten und ihnen ein angemessener Ausgleich für die finanziellen Ausfälle gewährt wird. Überfällig ist eine Korrektur der Regelungen zu den verbundenen Unternehmen. Konsequent und sachgerecht wäre es, auf den Betrieb im Sinne von Arbeitsstätte abzustellen. Auch die nun vorgesehene monatliche Hilfe von bis zu 500.000 Euro für größere Unternehmen ist unzureichend. Wer monatliche Fixkosten von 3 Millionen Euro hat, wird so nicht überleben.
  • Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragsfrist mindestens bis 31. März 2021: Aufgrund der verspäteten Auszahlung der November- und Dezemberhilfen ist es zwingend geboten, die bislang bis zum 31. Januar 2021 erfolgte Aussetzung der Insolvenzantragsfrist zu verlängern.
  • Die Rahmenbedingungen für eine Öffnung des Gastgewerbes nach dem Lockdown können schon jetzt bedacht und festgelegt werden. Auch bei weiterhin dramatischer Inzidenzlage in Nordrhein-Westfalen schaffen Rahmenbedingungen über das Ob und Wie Perspektiven für Unternehmer*innen wie Beschäftigte.

„Die von uns herbeigesehnte Öffnung und Normalisierung ist erst einmal nicht abzusehen, deshalb bleibt es umso wichtiger, die Hilfen, so schnell, so passend und so unbürokratisch es geht, dort ankommen zu lassen, wo sie gebraucht werden, nämlich in den Betrieben. Papier ist geduldig. Die Auszahlung zählt“, betont Bernd Niemeier und verweist auf das verheerende letzte Jahr. Laut der DEHOGA-Umfrage meldeten die Betriebe in NRW von März bis Dezember Umsatzeinbußen von 51 Prozent. Die Umsatzausfälle im Gesamtjahr wurden durchschnittlich mit 46 Prozent beziffert.

Ansprechpartner: Thorsten Hellwig, Pressesprecher